Der Hamburger Linguist A. Stefanowitsch hat mittels Google-Books herausgefunden, daß man im 19. Jahrhundert „Studierender“ häufig in der Bedeutung von „Student“ benutzt hat und daß dieser Brauch im 20. Jahrhundert wieder verschwunden ist. Weil das so ist, meint er, sich nicht mehr rechtfertigen zu müssen für die Verwendung von „Studierende“ in diesem Sinn, zu der er sich aus politischen Gründen verpflichtet glaubt. Ein Leser seines Blogs hat – unter dem Pseudonym „Studierendenfutter“ – auf einen zustimmenden Kommentar, nämlich
„Daß das Wort ‚Studierenende(r)’ relativ alt ist, ist sicherlich ein treffendes Argument gegen die verfehlte Annahme, ‚Studierender’ könne nur denjenigen bezeichnen, der gerade in diesem Augenblick ‚am studieren’ ist.“
so geantwortet:
„nö, es nur ein beleg dafür, dass auch anno tobak bereits unsinn geredet wurde“ – eine einfache Wahrheit, die Herrn Stefanowitsch und seinen Anhängern offenbar verschlossen ist. Einen gerade nicht trinkenden Trinker einen Trinkenden zu nennen bleibt Unsinn, auch wenn sich herausstellen sollte, daß das im 18. Jahrhundert bereits getan wurde; nur durch lange Gewohnheit kann ein Fehler es dazu bringen, keiner mehr zu sein, wie im Falle der „Lehrenden und Lernenden“.
Der Blog-Leser Helmut Wicht hat von einem „antiquarischen Fehlschluss“ gesprochen. Ich möchte statt dessen die Bezeichnung „katholischer Fehlschluß“ vorschlagen. Die römisch-katholische Kirche lag im Mittelalter jahrhundertelang im Streit mit den Ostkirchen; meist ging es darum, wie es sich theologisch begründen läßt, daß der Papst wichtiger ist der Patriarch von Konstantinopel oder andere Patriarchen. Das entscheidende Argument war immer, daß irgendeine Meinung bereits früher schon dagewesen ist; gewonnen hatte, wer nachweisen konnte, daß die seine sich in einem älteren Schriftstück finden läßt als die des Gegners. So ließ sich mehr oder weniger jeder beliebige Stuß rechtfertigen.
Die katholische Kirche sollte Herrn Stefanowitsch für die Wiederbelebung dieser Methode eine Auszeichnung verleihen. Die haben da recht hübsche. Der bekannte Germanist und Wissenschaftsfunktionär Prof. Frühwald bekam, so hörte ich, für seine Verdienste als Beiratsvorsitzender des Cusanuswerks einen Orden, der ihm das Privileg verleiht, hoch zu Roß in den Vatikan einzuziehen. Herr Stefanowitsch sollte, falls er es nicht schon kann, reiten lernen.